Rehwildjagd in Südtirol: Noch Luft nach oben

3. September 2025

Foto: Armin Gschnell

In vielen Revieren in Südtirol, insbesondere in solchen, wo auch viel Rotwild vorkommt, läuft die Rehwildjagd eher nebenher. Zeit, unserer kleinsten und immer noch bei Weitem häufigsten Schalenwildart etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Betrachtet man die Strecken des Rehwildes in Südtirol, so fällt auf, dass diese bis Anfang der 1990er-Jahre stetig zunahmen und dann nach der Jahrtausendwende wieder zurückgingen. 2024 wurden 7.832 Stück Rehwild erlegt, im Jahr 1980 waren es 6.708 und im Rekordjahr 2003 10.139 Rehe.

Der Lebensraumwandel macht das Rehwild weniger sichtbar

Der typische Rehwildlebensraum im Waldrandbereich hat sich durch die veränderte Grünlandbewirtschaftung grundlegend gewandelt. Während die artenreichen Mähwiesen, wie wir sie bis zum Ende des vergangenen Jahrhunderts noch vielerorts hatten, ideale Äsungsflächen für das Rehwild darstellten, sind die stickstoffreichen und öfter gemähten Wiesen von heute für das konzentratselektierende Rehwild kaum attraktiv, ganz im Gegensatz zum konkurrierenden Rotwild.

Dieses hat sich In den vergangenen Jahren in ganz Südtirol ausgebreitet, ebenso ist mit dem Wolf ein Großraubwild zurückgekehrt. Menschliche Störungen zu allen erdenklichen Tageszeiten, beispielsweise durch Jogger oder auch Spaziergänger mit Hunden, haben nicht nur in Siedlungsnähe zugenommen. All diese Faktoren drängen das Rehwild heute zunehmend in den Wald und sorgen dafür, dass es nur mehr selten in die Wiesen austritt. Unsere Jagdstrategie auf Rehwild ist hingegen in den letzten Jahrzehnten weitgehend unverändert geblieben. Vor allem weibliches Rehwild wird landesweit nach wie vor fast ausschließlich in den Wiesen bejagt. Dadurch wird der Rückgang des Rehwildes meist wohl noch viel drastischer wahrgenommen, als er tatsächlich ist.

Verortung der Abschüsse des weiblichen Rehwildes (blau) und Rotwild (rot) in einem Südtiroler Revier. Auf einem Großteil der Fläche wird weibliches Rehwild schlichtweg nicht bejagt. Ein Grund dafür könnte sein, dass große Revierteile ausschließlich der Rotwildjagd vorbehalten sind.

Wir schießen uns den Bockbestand jung …

Die Hegerichtlinien geben den Revieren großen Spielraum bei der Aufteilung des Abschusses auf die verschiedenen Abschussklassen. Es gibt lediglich zwei zentrale Vorgaben:

  1. Es wird so viel männliches Rehwild freigegeben, wie im Vorjahr weibliches erlegt wurde.
  2. Mindestens ein Drittel bis maximal zwei Drittel des männlichen Abschusses müssen in der Klasse Jungwild (Bockkitze und Jährlingsböcke) erlegt werden.

Den Jagddruck gleichmäßig aufs Revier verteilen und auch im Wald jagen.

Diese Vorgaben führen in den meisten Revieren dazu, dass zwei Drittel des männlichen Rehwildes bei den Trophäenböcken erlegt werden und der Rest bei den Jährlingsböcken. Vor allem, wenn sich die Bockjagd auf die Zeit zwischen den Einstandskämpfen im Frühjahr und der Brunft konzentriert, hat dies aber negative Auswirkungen auf den Bestand. Das Brunftgeschehen wird nachhaltig gestört.
Wenn wir zu stark in die trophäenstarke Mittelklasse der Böcke eingreifen, schießen wir uns den Bockbestand jung.

… und den Geißenbestand alt!

Auch die meist gut gemeinte Zurückhaltung bei der Bejagung der (Alt-)Geißen führt oft zum Gegenteil von dem, was man eigentlich bewirken will. Wenn vorwiegend Schmalrehe und einzelne Geißkitze erlegt werden, noch dazu immer in denselben Revierteilen, führt dies lokal oft zu einer Übernutzung und auf der restlichen Revierfläche zu einer Überalterung des weiblichen Rehwildbestandes.
Der Geißenbestand wird alt und unproduktiv, wenn wir die Geißen immer auf den gleichen Flächen erlegen.

Auch beim Rehwild ist die Sozialstruktur wichtig. Für einen vitalen Bestand sollte sich der Abschuss ungefähr gleichmäßig auf alle Klassen verteilen. In Südtirol gibt es massive Unterschiede in den verschiedenen Altersklassen. Wir schießen uns ein hohes Durchschnittsalter bei den Altgeißen herbei. Das wirkt sich negativ auf die Vitalität der Bestände aus. Der hohe Eingriff bei jungen und mittelalten Trophäenböcken ist alles andere als gut für unser Rehwild.

„Wenn wir weniger Geißen schießen würden, hätten wir viel mehr Rehe!“

Diesen Satz hört man oft. Dass er nicht pauschal stimmt, kann jeder Jäger in Südtirol selbst feststellen. Fast in jedem Revier gibt es größere, für Rehwild gut geeignete Gebiete, wo weibliches Rehwild so gut wie nicht bejagt wird. Trotzdem wachsen die Bestände dort nicht mehr als in den Gebieten, wo Rehwild stärker bejagt wird. Die Kapazität der Lebensräume bleibt der entscheidende Faktor für die Höhe des Rehwildbestandes. Sie wirkt sich in erster Linie auf die Kitzsterblichkeit und die Fallwildzahlen im Winter aus.
Trotzdem hat der Abschuss von weiblichem Rehwild natürlich Einfluss auf den Bestand, insbesondere, wenn sich der Abschuss lokal und über Jahre immer auf wenige Jahrgänge konzentriert. In Südtirols Revieren ist häufig gerade in den typischen „Rehwildecken“ beides der Fall.

Die Rehwildbestände leiden nur deshalb nicht unter unseren Bejagungsfehlern, weil wir das Rehwild insgesamt in Südtirol nicht besonders stark bejagen.

Bei den Geißkitzen und Schmalrehen zurückhalten

Es ist bekannt, dass sich weibliche Rehe meistens in der Nähe der Mutter ansiedeln und sich im Winter gern mit ihren Kitzen dem Sprung der Mutter anschließen. Sippenfremde Rehe werden kaum geduldet.
Wenn nun von einem Hochsitz, wo typischerweise jedes Jahr ein paar Rehe erlegt werden, ein einzelnes Geißkitz erlegt wird, fehlt in diesem Revierteil im kommenden Jahr ein Schmalreh. Wird nun vom selben Hochsitz auch noch jedes in Anblick kommende Schmalreh erlegt, kommt kaum ein weibliches Reh in diesem Gebiet über das zweite Lebensjahr hinaus, während das geschonte Muttertier älter und immer scheuer und nachtaktiver wird. Dieses Verhalten wird die alte Geiß auch an ihre Kitze weitergeben. Wenn man immer nur einzelne Geißkitze und Schmalrehe erlegt, werden die Rehe in diesem Revierteil scheu. Gleichzeitig wird der lokale Bestand unwillentlich reduziert. Viel besser für den Bestand in diesem Revierteil wäre es, die Schmalrehe öfter zu schonen und wenn schon Geißkitze, dann nur mitsamt Altgeiß und eventuell vorhandenem Zwillingskitz zu erlegen. Das freigewordene Revier der Altgeiß wird mit Sicherheit bald nachbesetzt werden und das im Herbst am Leben gelassene Schmalreh bringt noch viele Jahre Kitze.

Peter Preindl

 

Rehwild jagern

  • Das ganze Revier gleichmäßig ausjagen!
  • Rehwild verlässt sein Revier in der Regel zeitlebens nicht. Wer einen alten Bock oder eine alte Geiß sucht, sollte also dort suchen, wo schon länger kein altes Stück mehr erlegt wurde.
  • Chancen auf „passende“ Geißen ausnahmslos nutzen, gerade im Wald hat man die Gelegenheit selten zweimal.
  • Schmalrehe weniger scharf bejagen, wenn man einen vitaleren Rehwildbestand haben will.
  • Geiß mit Kitzen erlegen. Insbesondere im Wald ist dies oft die einzige Möglichkeit, ältere Geißen zu erlegen, ohne den Muttertierschutz zu vernachlässigen.
  • Böcke nicht nach Geweihmerkmalen, sondern wenn schon nach Alter oder Gewicht auswählen.
  • Mittelalte Böcke am besten bis nach der Hauptbrunft Ende Juli schonen.

Der Beitrag stammt aus der Jägerzeitung Nummer 1 von 2025. Die gesamte Ausgabe finden Sie zum Download hier: jagdverband.it/jaegerzeitung