Frau Revierleiterin
8. März 2023
Dass die Führung eines Reviers nicht unbedingt Männersache sein muss, beweist Karin Oberhammer. Seit über 20 Jahren ist Karin Oberhammer nun schon Revierleiterin im Revier Innichen. Respekt und Rücksicht gegenüber Mensch und Tier sind der erfahrenen Jägerin die wichtigsten Werte, die sie in der Jagd, aber auch im Alltag ständig begleiten.
Frau Oberhammer, Sie sind nun schon seit 25 Jahren aktive Jägerin. Was hat Sie dazu bewegt, das Handwerk der Jägerin zu erlernen?
Karin Oberhammer: Die Jagerei liegt mir in den Genen. Mein Großvater und mein Urgroßvater waren Jäger. Mein Vater ist immer noch aktiver Jäger. Ich selbst habe die Jägerprüfung erst mit 30 gemacht, da hatte mein Vater die Hoffnung schon aufgegeben, dass aus mir nochmal eine Jägerin wird.
Die Jagd gibt mir sehr viel. In die Natur gehen, das Beobachten, die Spannung, ob Wildtiere in Anblick kommen werden oder nicht. Jeder Tag ist anders. Kein Jagdgang ist mit einem anderen vergleichbar. Es ist vollkommen unvorhersehbar, was passiert. Und egal wie lange man schon Jäger ist, man hat nie ausgelernt. Die Natur hat ständig neue Überraschungen parat. Außerdem genieße ich auch den Ausgleich, den ich in der Natur finde. Da kann ich meinen Gedanken freien Lauf lassen. Schon so manche schwierige Entscheidung im Leben habe ich auf einem Hochsitz getroffen. Wenn es mir dann ab und zu gelingt, ein passendes Stück Wild zu erlegen, dann rundet das die ganze Sache zusätzlich ab.
Sie sind außerdem seit 21 Jahren Revierleiterin von Innichen. Wie wird man denn Revierleiter?
Der Revierleiter wird alle 5 Jahre von den Jägern des Revieres gewählt. Die Voraussetzung ist, dass man Mitglied des betreffenden Revieres ist. Bei mir war es so, dass ich schon 2 Jahre vorher Schriftführerin und Kassierin im Revier Innichen war. Als der damalige Revierleiter dann zurückgetreten ist, hat er mich für dieses Amt vorgeschlagen. Da war ich erst 3 Jahre Jägerin und hatte noch viel Erfahrung zu sammeln. Zu Beginn musste ich schon noch mit etwas Gegenwind kämpfen und hatte weiß Gott nicht alle auf meiner Seite, aber mit der Zeit habe ich mir dann die Unterstützung fast aller mit einer geraden Linie erarbeiten können und mir ein dickeres Fell zugelegt. Mein Beruf als Ortspolizistin hat dabei sicher auch geholfen.
Wie sehen Sie die Entwicklung der Jagd über die Jahre? Ist die Jagd zukunftsfähig, so wie sie zurzeit ausgeübt wird?
Ich glaube schon, dass die Jagd, wie wir sie in Südtirol betreiben, zukunftsfähig ist. Unser soziales Reviersystem, wo jede Person unabhängig von Stand und Einkommen zur Jagd gehen kann, sehe ich sehr positiv. Es ist wichtig, dass wir Mensch und Tier gleichermaßen mit Respekt begegnen und die Zeichen der Natur lesen und verstehen lernen. Wir Jäger müssen uns an einen Abschussplan halten, der von Fachgutachten begleitet wird. Wir können nicht einfach schießen, was wir wollen, und das ist auch gut so. Die Zählungen und die Analyse der vergangenen Jagdstatistiken garantieren, dass wir die Natur nachhaltig nutzen. Wir tragen die Verantwortung dafür, sorgsam mit der Natur umzugehen, damit auch die künftigen Generationen diesen Schatz nutzen können.
Die Jagd wird von Teilen der Gesellschaft kritisch gesehen. Was leistet die Jagd Ihrer Meinung nach für die Öffentlichkeit?
Das mag abgedroschen klingen, aber ich sehe uns Jäger und Jägerinnen wirklich als Heger und Pfleger der Wildtiere und der Natur. Ganz einfach, weil wir Jäger rund ums Jahr im Revier sind und den Zustand des Wildes im Auge haben. Sehr viele Reviere führen beispielsweise gezielte Projekte zur Lebensraumverbesserung für die Raufußhühner wie Auer- und Birkwild durch. Über die Jagd versuchen wir zu vermeiden, dass es zur Überpopulation kommt und die Wildtiere durch Seuchen elend zugrunde gehen. Auch bei Wildunfällen sind die Jagdaufseher und Revierleiter wichtige Ansprechpersonen, und das rund um die Uhr.
Jagd wir oft als „Männersache“ gesehen. Die Anzahl der Jägerinnen steigt jedoch stetig an. Von den rund 6000 Südtiroler Jägern sind derzeit 382 Frauen, das sind 6,4 Prozent. Jagen Frauen anders?
Ich denke, die Passion der Jagd hat nichts mit dem Geschlecht zu tun. Wir Frauen bringen aber sicher andere Fähigkeiten ein, die unsere männlichen Jagdkollegen vielleicht nicht so haben. Oft sind wir etwas zurückhaltender und gehen bestimmte Dinge überlegter an. Wenn es jedoch darum geht, einen Gamsbock vom Berg ins Tal zu tragen, dann bin ich ehrlich gesagt schon froh, wenn ein starker Mann hilft. Ich denke, wir Jägerinnen müssen uns nicht verstecken und auch niemandem etwas beweisen. Auf jeden Fall freut es mich, dass es immer mehr Jägerinnen gibt.